Ich fing langsam an, an unser Wunder zu glauben

“Mein Weg zum Wunschkind

Als ich 18 Jahre alt war, sagte mir mein damaliger Gynäkologe, dass es bei mir wahrscheinlich schwierig werden würde, Kinder zu bekommen, weil mein Zyklus so unregelmäßig war. Wahrscheinlich aus Selbstschutz habe ich danach jahrelang behauptet, dass ich keine Kinder möchte, dass ich eh lieber reisen möchte und viel zu viel vorhabe.

Als ich 2010 meinen heutigen Mann kennenlernte, war uns eigentlich schnell klar, dass wir gemeinsam Kinder bekommen möchten. Da mir die Worte meines ehemaligen Gynäkologen noch im Ohr klangen, habe ich recht früh in der Beziehung die Pille abgesetzt und wie von mir damals schon erwartet, wurde ich nicht schwanger. Zu dem Zeitpunkt dachten wir noch, dass wir es einfach etwas länger versuchen müssten als andere. Aber es klappte und klappte einfach nicht. Um mich herum wurde eine Freundin nach der anderen schwanger und meine Uhr begann, immer lauter zu ticken. Unzählige Besuche bei meiner Gynäkologin und Versuche, mit harmlosen Mitteln weiterzuhelfen, brachten uns nicht weiter. Auch hatte ich das Gefühl, dass meine Gynäkologin sich mit dem Thema nicht so gut auskannte.

Vorstellung im Kinderwunschzentrum

Als wir es schließlich drei Jahre erfolglos probiert hatten, was auch unsere Beziehung immer wieder belastete, wandten wir uns schließlich an ein Kinderwunschzentrum. Ein Gedanke, vor dem ich mich immer gefürchtet hatte. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wie ich eigentlich zum Thema „künstliche Befruchtung“ stehe.

Im Kinderwunschzentrum stellte sich schließlich heraus, dass nicht nur mein Zyklus leicht gestört war, auch das Spermiogramm meines Mannes war schlecht – es lag also an uns beiden, dass es mit dem Kinderwunsch einfach nicht klappen wollte. Der Arzt legte uns nach diversen Untersuchungen eine ICSI nahe – die Chancen mit anderen Methoden ständen zu schlecht. Ein paar Monate ließen wir uns Zeit, im Endeffekt war ein Jahr vergangen, bis wir mit dem ersten Behandlungszyklus starteten.

Der erste Versuch

Es ging also los mit den täglichen Hormonspritzen, den häufigen Arztbesuchen, den Stimmungsschwankungen und depressiven Anflügen. Auch wenn wir uns vom Kinderwunschzentrum gut betreut fühlten, war dieser erste Zyklus einfach verdammt schwer. Jeden Tag nach der Arbeit saß ich einfach auf dem Sofa und heulte. Die emotionale Belastung war wirklich enorm. Wir sprachen auch nur mit meiner Familie über das Thema, das für uns doch zu persönlich war. Aber auch meine Familie konnte die Belastung, die mit einer solchen Behandlung einher geht, nicht wirklich verstehen. Natürlich versuchten sie, mich aufzubauen, doch Sätze wie „Es wird bestimmt irgendwann klappen“, wollte und konnte ich zu dem Zeitpunkt einfach nicht hören. Der erste Behandlungszyklus war auch nicht erfolgreich. Noch vor dem angestrebten Bluttest, bekam ich meine Regel. Ich war noch nie so verzweifelt, wie in diesem Moment. Einer von drei Versuchen, den die Krankenkasse anteilig bezahlt, war vorbei. Nur noch zwei Versuche übrig.

Wir hatten ein paar Embryonen eingefroren, so dass wir sofort in einen Kryo-Zyklus starten konnten. Im Nachhinein ein Fehler, aber ich wollte einfach keine Zeit verlieren. Die emotionale Belastung war aber sehr hoch, zwei Monate hintereinander das Bangen, Warten und Hoffen, was fast zu viel für mich. Im Kinderwunschzentrum konnten sie mir auch nicht sagen, wie ich mit der psychischen Belastung umgehen sollte. Im Internet fand ich dann die Seite der Selbsthilfegruppe KinderWunsch Köln. Ich dachte, dass Selbsthilfe nichts für mich ist und war zunächst zögerlich, an einem Treffen teilzunehmen. Aber mein Mann meinte, ich könnte es ja einfach einmal versuchen, so dass ich schließlich doch an einem Treffen teilnahm.

Hilfe durch Selbsthilfe

Es tat mir wirklich gut, in der Gruppe auf Frauen und Männer zu treffen, die das Gleiche durchmachten oder bereits durchgemacht hatten wie wir. Auch wenn ich inzwischen mit ein paar Freundinnen über das Thema gesprochen hatte, konnte keiner nachvollziehen, wie es mir ging. Die meisten meinten, wir müssten uns nur mal entspannen und dann würde es schon klappen. In der Gruppe traf ich auf Verständnis und es tat gut, total offen, über meine Erfahrungen zu sprechen. Auch der Kryoversuch war negativ und wir nahmen uns eine kleine Auszeit von der Kinderwunschbehandlung. In der Zeit besuchte ich die Selbsthilfegruppe regelmäßig. Nicht nur tat es gut, mit anderen über den unerfüllten Kinderwunsch zu sprechen, ich bekam auch wertvolle Tipps, was bei uns vielleicht noch untersucht werden sollte, bevor wir in den nächsten Versuch starteten. Denn viele Teilnehmer der Gruppentreffen hatten bereits mehr Erfahrungen mit Kinderwunschbehandlungen gesammelt als wir.

Die zweite ICSI

Mit den Informationen aus der Gruppe wandte ich mich wieder an das Kinderwunschzentrum. Es wurden einige weitere Untersuchungen durchgeführt, bis wir schließlich bereit waren, einen neuen Versuch zu wagen. Dieses Mal rutschte ich nicht wieder in ein so tiefes Loch wie bei den ersten Versuchen. Ich nahm weiterhin an den Selbsthilfegruppen-Treffen teil und konnte offen über meine Gefühle sprechen. In dem Sinne war ich vielleicht etwas entspannter als beim ersten ICSI-Versuch. Und siehe da: Auch wenn ich absolut nicht daran geglaubt hatte, war der Schwangerschaftstest, den ich zuhause machte, um mich auf das negative Ergebnis vorzubereiten, positiv. Ab dem Moment beherrschte die Angst vor einer Fehlgeburt meine Gedanken, da ich ja wusste, dass es bei künstlicher Befruchtung öfter zu Abgängen kommen kann. Doch die ersten drei Schwangerschaftsmonate vergingen ohne Komplikationen, ja sogar ohne Übelkeit. Als ich nach zwölf Wochen alle unterstützenden Medikamente absetzen konnte, fing ich langsam an, an unser Wunder zu glauben.

Jetzt hat gerade mein Mutterschutz begonnen. Ich sitze mit dickem Bauch vor dem Computer und fange an zu weinen, während ich diese Zeilen schreibe, weil ich selbst manchmal gar nicht glauben kann, dass wir in wenigen Wochen tatsächlich Eltern eines Sohnes werden. Und zu einem großen Teil bin ich überzeugt, haben wir das auch der Selbsthilfegruppe zu verdanken. Denn dort haben wir wichtige Tipps bekommen, aber eben auch die Gelassenheit im Umgang mit der Kinderwunschbehandlung gefunden. Vielen Dank dafür.”

J., 35, aus Köln, im Juli 2018